Ich freue mich sehr, bei der November- Blog-Aktion 2018 dabei zu sein:
Memento mori-werdet kreativ, so lautet das Motto.
Dieser "Totenhemd-Blog" ist sowas von inspirierend-einfach toll!
Herzlichen Dank dafür an Petra Schuseil und Annegret Zander!
und hier ist mein Beitrag:
„Zarte Takte tröpfelt die Zeit"-mit diesem Zitat endete mein Artikel „Sind Diesseits und Jenseits verbunden?“
Etwa 1000 Tage ist das nun her, und an einem davon traf ich eine gemeinsame Bekannte meiner verstorbenen Freundin. Wir redeten über Märchen und bald darauf besuchte sie meine Märchenveranstaltung und bereicherte den Abend indem sie ein wunderschönes Märchen vom Tod erzählte. Sie selbst organisiert neben allen möglichen Gruppenangeboten auch Märchenabende und bat mich, zu einem ihrer Abende die Zithermusik beizusteuern und, wenn ich möchte, auch ein von mir erzähltes Märchen. Während der Vorbereitungen wurde mir klar, dass ich hier die Nachfolge meiner verstorbenen Freundin antrete, denn die beiden hatten in der Vergangenheit immer zusammengewirkt, wenn es um diese Märchenabende ging.
Es war ein schöner Abend und ein ziemlich seltsames Gefühl.
In meinem letzten Artikel
„Sind Diesseits und Jenseits verbunden?“ schrieb ich:
„ Die Trauer wird weichen und etwas Neuem Raum schaffen“, vermutlich, weil ich mir das zu diesem Zeitpunkt einfach wünschte. Nun, die Trauer wich zugunsten gelegentlicher Traurigkeiten. Damit meine ich die Erinnerungen an all die lieben
Menschen, deren Tod ich betrauert, die Trauer überwunden und
in die Schatzkiste meines Herzens zur behutsamen Verwahrung abgelegt habe. Manchmal schlüpft eine davon aus der Kiste, und steht dann wieder vor meinen Augen als wolle sie sagen, ich bin noch da und werde auch immer bei dir bleiben. Das ist eine
kleine Traurigkeit, tröstlich und schmerzlich zugleich. Ich lasse sie dann eine Weile bei mir und weide mich an allen damit verbundenen Erinnerungen und Gefühlen und setze sie dann wieder in die Schatzkiste zurück. Denn das Leben spielt ja hier und jetzt. Nun sind ja Erinnerungen oder Emotionen keine wirklich greifbaren Dinge und deshalb kommt es eben auch vor, dass ich sie beim zurücksetzen in die Schatzkiste niemals ganz zu fassen kriege und deshalb ein Teil von ihnen im Hier und Jetzt bleibt.
Das ist auch gut so, denn so entsteht das fein verwobene Netz zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.
Dieses Netz ist weder begreifbar noch sichtbar, denn es ist unglaublich zart und transparent. Dennoch ist es da, trägt und hält und-ist erfahrbar und spürbar. Das Spüren ist etwas anderes als das Fühlen und führt, mit dem rechten Spürsinn ausgestattet, auf so manche Spuren. Spuren, die Zeit
und Raum überwinden und dem eigenen Herzen das Gefühl der Weite und der Gewissheit des richtigen Weges schenken.
Nun bin ich also in den Spuren der
Freundin unterwegs und staune erstens darüber, dass ich vor einem Jahr behauptete: „Die Trauer wird weichen und etwas Neuem Raum schaffen“ und zweitens, was sich da tatsächlich alles Raum geschaffen hat. Da ist ein bewusstes Wahrnehmen der Nachfolge gewachsen und das fühlt sich grundsätzlich gut an. Es ist ein Gefühl der Geborgenheit, des Geführt-Werdens auf festem Boden unter den Füßen, einem Boden, den andere vor mir bereitet haben und mir die Gewissheit schenken, auf dem rechten Weg zu sein.
Ganz real auf den Spuren meiner vergangenen
Lebensjahre wanderte ich im letzten Sommer als ich zu Besuch in meiner alten
Heimat und Geburtsstadt war. In der Nähe der Autobahn-abfahrt streift mein Blick
jedes Mal, wenn ich dort abfahre, jenes Tal mit dem schmalen Fluss, in dem ich manchmal mit meinem Großvater spazieren ging. Er ging voran, mein Bruder und ich hinter ihm, hinter uns die Katze und um uns herum springend und immer wieder vorneweg preschend, der Hund, fassungslos vor Glück über den unerwarteten Freigang. Denn ansonsten war das Leben dieses Hofhundes nicht von Bewegung oder übermäßig vielen Annehmlichkeiten gekennzeichnet. Wir gingen vom Garten meiner Großeltern an Feldern vorbei durch ein sanftes Tal. Wege gab es keine, außer unserem eigenen. Hin und wieder kamen wir dem Fluss näher und schauten ins Wasser, der Hund sprang manchmal hinein. Die Katze hielt gebührenden Abstand zu uns, folgte uns jedoch in großer Selbstverständlichkeit. Manchmal gingen wir bis zum nächsten Ort oder zumindest bis zu einer Mühle, die am Ortseingang stand.
Was haben wir unterwegs gesprochen, wonach haben wir geschaut? Ich weiß es nicht mehr, aber ich erinnere mich an ein Gefühl der Feierlichkeit, wir bildeten ja auch eine Art Prozession und so oft waren diese Spaziergänge wirklich nicht, es war schon jedesmal etwas Besonderes, wenn sich der Großvater Zeit für uns nahm. Mit Haus und Hof, Kaninchen-und Geflügelzucht hatte er ja immer viel zu tun und keine Zeit für Vergnügungen.
Diesen Weg bin ich nun, nach fast einem halben Jahrhundert, noch einmal gegangen, zusammen mit meinem Vater und meinem Mann. Schön war das, denn so manche Erinnerung kam mir zurück, die ich bisher ganz und gar vergessen hatte-als ob diese Erinnerungen dort im Gras neben dem Fluss auf mich gewartet hätten. Deshalb wurde mir auch ganz warm ums Herz, weil alles noch da war: die alten Weiden, der Fluss, die Felder. Die Landschaft war noch unverändert, die
Autobahn (siehe: A4) ein gutes Stück weit weg. Was wäre für mich anders gewesen, wäre inzwischen der Fluss begradigt, ein asphaltierter Fuß-und Radweg angelegt und die Bäume gefällt und durch pflegeleichtere Arten ausgetauscht? Wahrscheinlich hätte ich mich nicht erinnern können. Wie auch, wenn alles Vertraute fehlt und dieses Fehlen ein Wiedererkennen unmöglich macht. Nun bin ich es, die mit den Enkeln immer die gleichen Wege entlang spazieren geht- auch zum Fluss und ein Stück den Fluss entlang. Wir schauen uns den Wasserstand bei Trockenheit an und bei Hochwasser. Wir stehen auf der alten Holzbrücke und machen Musik mit unseren Füßen, denn die Balken sind lose und bilden somit ein begehbares Holzxylophon. Sooft wir kommen, gibt es doch immer wieder etwas zu sehen, das Springkraut verschießt seine Samen oder es ist etwas angeschwemmt worden, irgendetwas Schönes gibt es immer. Die Kinder wollen immer den gleichen Weg gehen. Will ich einmal abweichen, weil es ja auch noch andere schöne Wege gibt, treffe ich auf Widerstände, weil die Kinder von den vertrauten Stationen keine auslassen wollen. Große Aufregung gab es logischerweise, als die alte Holzbrücke (also das begehbare Xylophon) abgerissen und durch eine neue steinerne Konstruktion ersetzt wurde. Nun gingen wir fast täglich, auf jeden Fall so oft wie möglich, runter zum Fluss.
Wir finden es spannend, die Veränderungen zu beobachten. Anders als beim Bau dieser Brücke gibt es Veränderungen, die ich nicht spannend, sondern einfach nur schrecklich finde. Darüber habe ich an anderer Stelle schon geschrieben.
Hier möchte ich über Nachfolge sprechen- Lesen Sie bitte weiter in Teil 2.
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