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Erntedank

Ernting ist eine alte Bezeichnung für den Erntemonat, schade um diesen wohlklingenden und ausdrucksstarken Begriff. „Hearts will be lighter... under the harvest moon“, behauptet ein altes englisches Volkslied. Ich kann das für mich auch bestätigen. Am letzten Tag im September war ich in Unterfranken unterwegs. Reife Äpfel leuchteten an den Bäumen, Nüsse und Kastanien säumten den Straßenrand. Nebelstrahlen fielen durch die Alleen. „Waldfenster“ heißt ein Dorf, wie schön. Ein Hund liegt in einer Hofeinfahrt, die Pfoten auf dem Bürgersteig ausgestreckt, schaut auf die Straße. Ein Stück weiter gibt es Kartoffeln, doch ich habe kein Kleingeld. Und über allem die milde Herbstsonne. Es kann doch kein Zufall sein, dass sich Sonne auf Wonne reimt.

Am nächsten Tag wird geerntet. Zuerst die Quitten in meinem Garten. Das arme Bäumchen hatte schwer zu tragen unter der Last. Ich hatte schon die Zweige abgestützt, jetzt richten sie sich wieder langsam auf. Danach sind die Äpfel an der Reihe.

Auf dem Schulgelände gegenüber stehen mehrere Apfelbäume. Sein ein paar Wochen schon lese ich die Äpfel von dem Baum auf, der zwischen Kindergarten und Schule steht, oberhalb der Treppe. Ich wasche sie und stelle sie in unsere Küche: „Äpfel für alle!“ habe ich auf ein Schild geschrieben und was soll ich sagen- den Mitbewohnern schmecken die Äpfel genauso gut wie mir. Ein außerordentlich guter Geschmack. Nun wartet noch ein Baum darauf, abgeerntet zu werden. Er steht dicht neben der Schule in unzugänglichem Gelände-könnte man, oberflächlich betrachtet, sagen. Früh am Morgen mache ich mich mit meinen Nachbarn an die Arbeit. Wir haben einen Apfelpflücker mit Verlängerung und streifen vorsichtig durch das Gebüsch, um nahe an den Baum heranzukommen. Und im Nu haben wir zwei Kisten mit Äpfeln gefüllt. Der Baum hängt immer noch voll. Ich freue mich über die wertvolle Lektion, die die Kinder gerade auf dem informellen Bildungsweg erhalten haben: Hinzuschauen, wo alle anderen den Blick abwenden, Chancen erkennen, wenn sie sonst niemand wahrnimmt. Ideen entwickeln für gerade diesen Augenblick, innovative Lösungen in der Gemeinschaft finden. Und dann die gemeinsame Aktion: die erfundenen Hilfsmittel einsetzen, ernten. Die Ernte nach Hause tragen. Sortieren: was muss noch gelagert werden, was sofort verarbeitet werden. Behutsamkeit beim Umsetzen der Äpfel. So eine Aktion setzt Energien frei. Von Müdigkeit keine Spur. Am Nachmittag backen wir zusammen Kuchen. Diesmal ein neues Experiment: Kuchen im Glas. So hat man immer frische, kleine Kuchenportionen im Haus.

Schade, dass die Kinder des Kindergartens und der Schule und offensichtlich auch die Lehrkräfte und Eltern dieses Geschenk der Natur nicht sehen können oder ignorieren aus mir unbekannten Gründen.

Die Körper dieser Herbstwesen bestehen aus Knöterichhaut
Die Körper dieser Herbstwesen bestehen aus Knöterichhaut

Am 3.Oktober, einem trockenem und mildem Tag, ernte ich für eine Herbst-Bastelaktion nächste Woche Stangenknöterich. Kastanien und Kiefernzapfen habe ich schon. Eicheln pflücke ich direkt vom Baum- wie praktisch, so ohne Bücken! Die Blätter unseres großen Eschen-Ahorns im Garten sind leicht und weich, solange sie trocken sind. Wir rechen sie zusammen bis wir einen beachtlicher Haufen zusammen haben. Eine Verheißung für unsere jüngste Mitbewohnerin, 5 Jahre alt. „Pass auf, gleich gibt es ein ganz tolles Spiel!“

„ Wann fängt das Spiel denn an?

„ Wenn der Haufen schön groß ist“

Ungeduld, ein bißchen, dann geht es los.

„ Nun nimmst du Anlauf und springst in den Haufen hinein!“

Das lässt sie sich nicht zweimal sagen. Das ist das Spiel: Wir Erwachsenen rechen den Haufen immer wieder zusammen, die Kleine springt. Am Ende fliegen alle Blätter nochmal in die Luft: Wirf sie so hoch, bis sie wieder am Baum sind- was für ein Spaß! Am nächsten Tag: Regen. Traurige Miene. Doch ich weiß Trost- die meisten Blätter hängen ja noch und bald geht es in die nächste Runde.

 

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