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Ich bin ein Koch, der Krawatten trägt

Ich unterstütze die Ziele des Vereins zur Erhaltung der deutschen Sprache e.V. und teile alle Argumente gegen die Verwendung der "Gendersprache". Hinzufügen möchte ich an dieser Stelle meine persönliche Sichtweise:

Ich bin ein Koch, der Krawatten trägt. Im Alter von 16 Jahre hatte ich ausgelernt.

Seitdem trage ich die Berufsbezeichnung Koch. Obwohl ich eine Frau bin. Ich kann mich nicht erinnern dass ich das Fehlen der weiblichen Form in der Berufsbezeichnung irritierend fand. Im Gegenteil, ich habe mich meinem Chef gegenüber gleichwertig gefühlt, obwohl dieser als Chef natürlich noch immer den höheren Hut trug. 

An das Thema geschlechterneutrale Sprache habe ich nie einen Gedanken verschwendet. Es ist für mich plausibel, dass die Sprache unser Denken verrät und beeinflussen kann. Unser Verhalten bestimmt unser Denken mehr noch als unsere Worte. Was mich, seitdem ich im Westen Deutschlands lebe, immer sehr irritiert hat, ist zum Beispiel der Brauch des Krawattenabschneidens zur Weiberfastnacht. Wäre es nicht sinnvoller, sich als Frau die Attribute der Macht anzueignen, anstatt sie zu zerstören?

Ich bin ein Koch, der Krawatten trägt, wenn es ihm beliebt.

Am meisten beliebt es mir zum Rock. Wenn mein damaliger Chef mich ermahnte, ich solle meine Kochmütze aufsetzen, antwortete ich ihm, dass er selbst ja auch keine trägt. Das habe ich mir erlaubt, weil ich schneller rennen konnte als er. Mit einer geschlechterneutralen Berufsbezeichnung hatte das nichts zu tun. Das sind meine persönlichen, biografischen Hintergründe, doch mein Grund, warum ich hier, auf meiner Homepage, einfach in „meiner“ Rechtschreibung und nach meinen Regeln schreibe, ist die komplizierte Anwendung, welche oft den Redefluss stört.

Trotzdem bin ich für Gleichberechtigung!

Ich knüpfe meine Hoffnungen jedoch eher an Krawatten tragende Frauen und Röcke tragende Männer (warum eigentlich nicht?), die den anderen, vielleicht direkteren Weg gehen, indem sie durch ihr Handeln das Denken verändern. Ein Vorreiter und Trendsetter in diesem Sinn ist mein Enkel. Er ist 8 Jahre alt und versucht, seine Trauer um seine verstorbene Urgroßmutter zu bewältigen, indem er ihren Schmuck trägt. In der Schule. Kann das gutgehen oder wird er ausgelacht? Am ersten Tag, als er mit der Perlenkette und Bernsteinbrosche in die Schule kommt, wird er gefragt:

„Bist du jetzt reich geworden?“

„Nein, das ist der Schmuck meiner Oma, die ist leider gestorben“. „Ach so. Ich habe auch so etwas zu Hause…..“

Nun fällt es Kindern bekanntlich leichter, Konventionen zu ignorieren, dennoch plädiere ich dafür, es auch als Erwachsener hin und wieder auszuprobieren. Es ist ja immerhin möglich, dass ich mich gar nicht blamiere oder in eine peinliche Situation manövriere, sondern dass ich positive Resonanzen, Anerkennung, oder gar neue Freunde gewinne! Ich knüpfe meine Hoffnungen an alle vernunftbegabten Menschen, die sich selbstverständlich für Gleichberechtigung in allen Lebensbereichen einsetzen, mit oder ohne geschlechtergerechte Sprache. Ihnen fühle ich mich zugehörig.

Es kann sicher nicht schaden, seinen eigenen Standpunkt immer mal wieder auf den Prüfstand zu bringen, seine eigene Haltung, seine Überzeugungen zu überdenken: Was will ich mit diesem oder jenem Mittel erreichen? Wenn die gendergerechte Sprache so wirksam wäre, wie immer mehr vorgegeben wird, dann müssten ja alle Frauen im englisch-sprechendem Sprachraum schon längst in paradiesischen Zuständen leben.

Geht es darum, den gleichen Status zugebilligt zu bekommen? Oder geht es um die individuelle oder kollektive Lage, das Leben selbst, ohne männliche Einmischung zu führen und eigene Entscheidungen zu treffen? Wenn die Gendersprache der erste Schritt zur Gleichberechtigung ist, dann überspringe ich diesen, aus meiner eigenen Entscheidung, egal wie alle anderen darüber denken. Ich bin so frei....

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