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Farbenlehre individuell erklärt

Ein junger Mann mit Lernschwierigkeiten und Sehschwäche möchte gern die Grundsätze der Farbenlehre vermittelt bekommen, so sagt seine Betreuungsperson. Eine didaktische Herausforderung, der ich mich gerne stelle, weil dieser junge Mann ein einzigartiger, sehr motivierter Schüler ist. Natürlich habe ich ihn auch selbst befragt, um herauszufinden, was er gerne mag. „Ja, er würde gerne mal etwas Spannendes mit Farben machen. Und ja, Überraschungen mag er auch!“

Die Beschäftigung mit dem Farbkreis kann vielleicht spannend sein, doch wie erzeuge ich Spannung? Schwierige Aufgaben lassen sich oft spielend leicht bewältigen. Ich spiele mit dem Zufall, generiere überraschende Ergebnisse. Und ein bisschen mehr Bewegung als sonst üblich bringt Schwung ins Blut und ins Gehirn.

Die erste Aufgabe war, ein schnelles, Selbstportrait zu skizzieren. (Warum, habe ich nicht verraten, nur eine Überraschung angekündigt):

Sobald das Portrait fertig war, nahm ich es und übertrug es mittels raschem Nachzeichnen auf eine Styroporplatte. Besser gesagt, ich drückte die gezeichneten Linien mit einem Kugelschreiber nach. Jetzt war wieder der Schüler an der Reihe:

Druckplatte einstreichen, ein Blatt Papier darüberlegen und einen Abdruck machen. Blatt abziehen. Wow! Und von nun an ein rascher Galopp durch den Farbkreis. Ich bereitete ihm immer die Pinsel vor damit das Wasser-Farbverhältnis für ihn mit der unvertrauten Drucktechnik optimal aus. Und natürlich auch, um die Geschwindigkeit auf einem kontinuierlichen Level zu halten. Speed-Painting, sozusagen.

Die Farbe versickert sonst zu schnell in die Styroporplatte. Die Tatsache, dass ich öfters die überflüssige Farbe von der Druckplatte nehmen musste, bedeutet also, dass wir ziemlich zügig gearbeitet haben. Der Schwung war tragfähig, die Ergebnisse überraschend. Zum Schluss lagen der ganze Tisch und der Heizkörper voller bunter Köpfe! Die Druckplatte hatte sich in eine Farblandschaft verwandelt, die zum Erkunden einlädt. Auch auf den einzelnen Blättern gab es interessante Details zu entdecken. Ganz nebenbei redeten wir über die Qualitäten von Farben, wie man sie mischt, wie sie wirken...

Und so kamen wir im Gespräch auf William Turner, den „Meister des Lichts“, wie er in einem Film von Mike Leigh genannt wird. Mein Schüler schwärmte von dem Film, würde auch gern so schön den Mond malen können wie Turner. So sind wir nahtlos in der nächsten Lektion gelandet, dem Umgang mit Licht.

Er hat sich ein Bild ausgesucht, ich habe ihm geholfen, es zu kopieren. Die Bildaufteilung machte er allein, nach meiner Anweisung, den Auftrag der Farben erledigt er auch selbstständig. Meine Aufgabe war, zu beobachten, Hinweise und Ratschläge zu geben, Fragen zu stellen, Hilfestellung beim Farbenmischen. Ein wunderbares Ergebnis, ein strahlender Künstler hält sein leuchtendes Bild in den Händen und wir freuen uns beide auf unsere nächstes Treffen!

 

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